LANDESFACHAUSSCHUSS BILDUNG
BÜNDNIS DEUTSCHLAND BAYERN
Grundsätzlich begrüßen wir es, dass sich das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus unter Leitung unserer neuen Ministerin, Frau Anna Stolz, angesichts des katastrophalen Abschneidens unserer Grundschüler bei der jüngsten PISA-Studie zunächst Gedanken über die Ursachen der Misere gemacht hat.
Vor allem die klare Benennung von „zunehmende(r) Heterogenität der Lerngruppen“ sowie von „Migrationsfolgen … und damit verbundene(r) Sprachbarrieren“ als Ursachen des kontinuierli-chen Absinkens des Leistungsniveaus ist lobenswert. In Bezug auf die in diesem Zusammenhang ebenfalls genannte „sinkende Leistungsmotivation“ bleibt das Papier allerdings eine Benennung der Ursachen schuldig.
Leider geht das Ministerium auch nicht weiter darauf ein, wie den genannten Missständen entge-gengewirkt werden könnte, sondern fordert von den Lehrkräften, die ohnehin an der Belastungs-grenze sind, diese widrigen Umstände als gegeben hinzunehmen und auch noch irgendwie auszu-gleichen. Aus unserer Sicht wären Maßnahmen, die über die Bildungspolitik hinausgehen, wie z.B. eine verantwortungsvolle Migrationspolitik, nötig.
Des Weiteren ist die Rede von einem „schülerzentrierten Unterricht …, der durch hohe Unter-richtsqualität mit Praxisorientierung, Differenzierung, hohem Anregungscharakter und adaptiver Förderung alle Schülerinnen und Schüler genau dort abholt, wo sie gerade stehen.“
Wer je als Lehrkraft vor einer Schulklasse gestanden hat, muss sich fragen, wann da eigentlich noch unterrichtet werden soll!
Dass die Lehrkräfte angesichts dieser steigenden Anforderungen durch eine „Fortbildungsoffen-sive“ darin unterstützt werden sollen, „mit den veränderten Rahmenbedingungen … produktiv umzugehen“ muss in Lehrerohren wie blanker Hohn klingen.
Lobenswert ist, dass in Bezug auf die Überwindung von sprachlichen Defiziten bei Kindern von Zuwanderern von „verpflichtenden Sprachstandserhebungen durch die Grundschule eineinhalb Jahre vor der Einschulung“ ab März 2025 gesprochen wird, denen, wenn ein „Sprachförderbe-darf“ festgestellt wird, „verpflichtend eine Sprachfördermaßnahme“ folgen soll.
Die angestrebten Veränderungen bei den Stundenzahlen für die einzelnen Fächer sind wiederum eher kritisch zu betrachten.
Zunächst stellt sich die Frage, ob allein eine Erhöhung der Stundenzahl in den Fächern Deutsch und Mathematik die Probleme löst, die von Seiten des Ministeriums zu Beginn des Papiers ja richtig benannt werden. Wenn der Unterricht aufgrund zu großer Heterogenität, starker Sprachde-fizite und zu geringer Leistungsmotivation ineffektiv ist – hilft es dann wirklich, einfach noch mehr von diesem ineffektiven Unterricht zu verabreichen?
Fragezeichen sind auch angebracht bei der entsprechenden Reduzierung von Stunden in anderen Fächern. Hier hätte das Ministerium den Mut finden sollen, den Englisch-Unterricht in der Grundschule einfach ersatzlos zu streichen, da er den Spracherwerb in den weiterführenden Schulen nicht nur nicht fördert, sondern sogar behindert. Auch befürworten wir eine Reduzierung der Stunden in Religion/Ethik statt der geplanten „Gestaltungsmöglichkeiten (der einzelnen Schu-len) beim Stundenumfang“ in den Fächern Kunst, Musik, Werken und Gestalten.
Zuletzt muss im Hinblick auf die vom Ministerium empfohlenen „Innovative(n) Programme und Materialien“ wie die „Fachintegrierte Leseförderung Bayern“, die „Fachintegrierte Schreibförde-rung Bayern“ und andere gefragt werden, wie wahrscheinlich es ist, dass diese gerade in bil-dungsfernen Familien, in denen sich die Eltern nur wenig um die schulischen Belange ihrer Kin-der kümmern (können), von den Kindern auch wirklich in Anspruch genommen werden.
Insgesamt ist die neue PISA-Offensive des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus als Schritt in die richtige Richtung zu begrüßen – der „große Wurf“ ist sie leider nicht.
(Zitate nach Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus: Lesen, Schreiben, Rechnen im Fokus – PISA-Offensive Bayern; Rahmenkonzept, Stand: Februar 2024)